Arbeitszimmer der Fürstin
Werdenberg.
Octavian,
genannt Quinquin, ein junger
Herr aus großem Hause.
Die Sonne scheint so hell, die Vöglein singen,
Da hüpft so froh das Herz mir in der Brust.
Feldmarschallin Fürstin Werdenberg.
Ich bitte, lieber Sohn, laß‘ Er das Hüpfen!
Hier wird gehüpft nicht, nein, hier wird gebetet.
Vergiß Er nicht, Er ist bei mir, der Fürstin,
Der Feldmarschallin von der Heilsarmee.
Ich habe seine Seele eingefangen,
Quinquin, ich habe ihn gesundgebetet,
Weil er ein junger Herr aus großem Haus ist.
Octavian.
Ich sag‘ Ihr frommen Dank, o Feldmarschallin.
Ich bin ein junger Herr aus großem Hause
Und lebe nur noch für die Heilsarmee.
Mit Schaudern denk‘ ich an mein altes Leben.
Ich ging des Nachts in Bier- und Weinlokale,
An die ich nur noch mit Erröten denke
Und deren Namen ich, o Feldmarschallin,
In Ihrer Gegenwart nicht nennen darf.
Marschallin.
Recht so, mein Sohn, nun bleib‘ Er auf dem Pfade
Der Frömmigkeit, der Tugend und der Sitte!
Dann wird bei uns Er’s noch zum Leutnant
bringen,
Er ist ein junger Herr aus großem Hause.
Octavian (kniend).
O Feldmarschallin von der Heilsarmee,
Ich bitt‘ Sie kniend noch um eine Gnade.
Gestatte Sie, daß ich in tiefer Ehrfurcht
Sie nenne: Meine teure Großmama!
Marschallin.
Es klopft! O wenn es doch mein Gatte wäre,
Der Feldmarschall von unsrer Heilsarmee!
Wie glücklich wär‘ ich über seine Rückkehr!
Octavian.
Wie glücklich wär‘ auch ich, dürft‘ ich erscheinen
Vor seinem milden, gnadenvollen Auge!
Der Baron Ochs auf Lerchenau
tritt ein.
Marschallin.
Es ist mein Gatte nicht, es ist ein Ochs,
Ein edler Ochs auf Lerchenau, mein Vetter.
Octavian.
Gestatten Herr Baron: Octavianus
Maria Ehrenreich Bonaventura
Fernandus Hyancinthus Graf Rofrano,
Ein frommer, junger Herr aus großem Hause.
Ochs.
Ich grüße Sie mit Gott, ma chère cousine!
In Gottes Namen grüße ich auch Ihn,
Den frommen, jungen Herrn aus großem Hause.
Der Herr, er möge meinen Eingang segnen,
Er segne, Schwester, Sie und Ihn, mein Bruder!
Marschallin und Octavian.
Er segne Ihn auch, Bruderherz in Christo!
Marschallin.
Was führt den Vetter her vom frommen Lande?
Ochs.
Ich will mit einer sittig frumben Jungfrau
Nach dem Gesetz der Kirche mich vermählen.
Marschallin.
Vermählen? Bravo! Das ist gut getan.
Darf man den Namen der Erwählten wissen
Und Wohnung und vor allem ihre Mitgift?
Ochs.
Ihr Adel ist nicht alt, auch sie ist’s nicht.
Ihr Vater ist ein Heereslieferant,
Der Gelder schwingt pyramidal und klotzig.
Drum wollte ich die Frau Kusine bitten,
Daß Sie mir einen Kavalier benenne,
Der die Partie mir anständig vermittelt.
Israeliten nennen so was Schadchen,
Die Christen aber Rosenkavalier.
Marschallin.
Ich kann Ihm diesen Herrn rekommandieren.
(auf Octavian zeigend)
Der macht die Sache gut, reell und billig.
Er ist ein junger Herr aus großem Hause.
Ochs.
Mein Herr, will Er mir diesen Dienst erweisen?
Octavian.
Dem Herrn Baron allweil zu Dienst.
Bei Herrn Faninal.
Octavian.
Ich hab‘ die Ehre, hochgeborne Jungfrau,
(Beiseite.) Verflucht, wie hübsch! Die angle
ich mir selber.
Sophie, Tochter des Herrn von Faninal,
eines reichen Neugeadelten.
Bin Euer Liebden in Respekt verbunden.
Octavian.
Ich bin – ich komme – ach, ich bin ein Ochs –
Nein doch – ich nicht – ich komme für den Ochs.
Sie macht mich ganz verwirrt. Ich bin der
Schadchen.
Sophie.
Was ist das: Schadchen? Das versteh‘ ich nimmer,
Ich bin seit sieben Monaten getauft!
Octavian.
Verzeih‘ Sie, hoch- und wohlgeborne Jungfrau!
Ich bin ein junger Herr aus großem Hause.
Sophie.
Ich danke Ihm. Ich freu‘ mich auf die Hochzeit.
Octavian.
Ach, lass‘ Sie doch den alten Ochsen fahren
Und nehme die vieledle Jungfrau lieber
Doch mich, den jungen Herrn aus großem Hause.
Sophie.
Was will Er? Ich bin eine fromme Christin,
Ich bin seit sieben Monaten getauft.
Ich bleibe treu dem Ochs, dem christlich frommen.
Ihm aber gönne ich ein Wort nur: Pfui!
Ochs und Faninal treten ein.
Ochs.
Nun, Herr von Faninal, ich will in Züchten
Heimführen Seine Tochter in mein Haus.
Es ist doch sicher mit der Pinke-Pinke?
Faninal.
Na, ob ich sicher bin? Der Juliusturm
Ist gegen mich die ausgemachte Pleite.
Und meine Wechsel sind so gut wie Konsols,
Mein lieber, teurer Herr Baron Ochsleben.
Octavian verwundet Ochs mit dem Degen.
Faninal.
Wie heißt? Er sticht ihn? Spaß, wie ist mir mieß!
Hat man so was erlebt von einem Schadchen?
In einem Cabinet séparé.
Octavian (als Spreewälderin verkleidet).
Haha! Ich habe mich als Weib verkleidet
Und hab‘ den Lerchenauer herbestellt.
Er fällt ganz sicher auf den Zimt herein.
Zur rechten Zeit kommt dann der Schwieger-
vater
Und läßt, ha, die Verlobung gleich zurückgehn.
Ochs (eintretend).
Mein Rosenkavalier bestellt mich her,
Ein frommer, junger Herr aus großem Hause.
Was sehe ich? Ein Weib? O, heb‘ dich von mir,
Du Satansfrucht, du Beelzebubsgenossin!
Es gibt für mich ein Weib nur in der Welt,
Das ist mein frumbes Bräutchen, mein
Sophiechen.
Faninal und Sophie, die das letzte Wort gehört haben, treten ein.
Sophie.
Ich bin gerührt, o Bräutigam in Christo,
Und bleibe dein, die christlich frumbe Jungfrau,
Ich, die seit sieben Monaten getauft!
Sophie und Ochs.
Wir bitten Euch um Euern Segen, Vater,
Und auch um die dazugehörige Mitgift.
Faninal.
Seid glücklich und vergnügt bis hundert Jahre!
Die Mitgift geb‘ ich Euch: für bare Zahlung
Zieh‘ ab ich fünf Prozent mir Kassaskonto.
Marschallin (eintretend).
Was seh‘ ich? Diese runde Spreewalddamme,
Sie ist ja unser Rosenkavalier.
Der fromme junge Herr aus großem Hause.
Octavian (kniend).
Verzeihe Sie mir, teure Großmama,
Wenn’s mir erlaubt ist, Sie noch so zu nennen.
Ich will mich jeder Strafe unterwerfen.
Marschallin.
Nun wohl, so wird Er, um Sein Tun zu büßen,
Den „Kriegsruf“ nachts in Restaurants
verkaufen,
Und andre trinken sehn und selbst nicht trinken.
Sophie.
So ist der Rosenkavalier gereinigt
Für Damen und für Herrn aus großem Haus.
Die Tugend siegt, die Sünde wird gesteinigt.
Nun darf er ins Berliner Opernhaus.
Die christlich frumbe Jungfrau darf ihn hören
Und Herr von Jagow auch und selbst Herr
Roeren.
›Kladderadatsch‹ vom 5. Februar 1911, Seite 23
Der Rosenkavalier
Wenn zu Marie-Theresens Zeiten
Ein Edelmann anhalten wollt',
So sandt' er einen dienstbereiten
Genossen hin, ob sie ihm hold.
Der überreichte eine Rose
Im Namen seines Freundes ihr,
Er tat dies in gar stolzer Pose.
Das ist der Rosenkavalier.
Bald nach der Hochzeit wird zum Stoffel
Der hochbeglückte Ehemann.
Die junge Frau schwingt den Pantoffel
Und zeigt nun plötzlich, was sie kann.
Der Gatte seufzt: „Ach, wehe, wehe,
Ganz anders dachte ich es mir.“
Sie trägt die Hosen in der Ehe.
Das ist der Rosenkavalier.
In Nakel lebte oder Bentschen,
In dem Bezirk des fünften Corps,
Ein Mann, der sehnte sich nach Menschen,
Fuhr nach Berlin drum mit Comfort.
Dort in der Friedrichstraße grinsen
Die Mägdelein ihn an mit Gier.
Er opfert seine Posener Zinsen.
Das ist der Rosenkavalier.
Er redet viel, er redet Bände,
Und was er redet, ist recht mieß.
Er redet deutlich „mit die Hände“,
Wenn’s nötig ist, auch „mit die Füß'“.
In seinem Antlitz sieht man thronen
Ach, eine schöne Rosenzier
Von ungeheuren Dimensionen.
Das ist der Rosenkavalier. |
AUS DEN DENKWÜRDIGKEITEN
DES FELDMARSCHALLS
FÜRST WERDENBERG
von
Jens Malte Fischer (Siegen)
Herausgegeben, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Dr. Hans-Joachim Platzeck, Professor für neuere Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Militärgeschichte.
Aus dem Vorwort:
Die vor kurzer Zeit im Archiv der Wiener Hofburg von mir aufgefundenen Tagebuchblätter ließen sich bald als Teil der verloren geglaubten Erinnerungen des Feldmarschalls Fürst Johann Anton Balthasar Werdenberg identifizieren. Fürst Werdenberg ist den Kennern der österreichischen Militärgeschichte vertraut als Heerführer Maria Theresias (vgl. dazu meinen Aufsatz: Die Rolle der Infanterie in der Schlacht bei Zorndorf. Festschrift Emil Sturzbrecher. Glan an der Gochel. 1959. S. 298-315). Dieser glückliche Fund bereichert das Panorama der Zeit Maria Theresias aufs neue (auch wenn der militärische Bereich in diesen Tagebuchblättern nicht den erhofften Raum einnimmt). Ein Kollege wies mich darauf hin, daß zwischen Fürst Werdenberg und einer Oper „Die Rösser der Kavallerie“ eine gewisse Beziehung besteht. Amts- und Publikationsverpflichtungen hindern mich daran, diesem Hinweis nachzugehen.
20. April 1751
Habe mich nunmehr von Ihrer Majestät mit untertänigster Devotion beurlaubt und bin im Raitzensteinischen, bei Esseg, angelangt, wo ich bei meinem Freunde und vieux camarade Graf Rottal mich rekreieren möchte und sans pardon gegen Bären und Luchse gehen will. Die Feldmarschallin hat dies präferabel gefunden, nachdem ich in den letzten Tagen durch eine Erkältigung unpäßlich war und mich hatte ins Bett legen müssen. Das Übel ward aber durch die Applicierung von einigen Clystieren und Emulsionen bald behoben, und fühle mich wieder, corpo di bacco, ganz fidel und habe eigentlich diese Reise nicht mehr für nötig befunden, aber Marie Theres (die Feldmarschallin) war darob ganz desparat und hat mich nun doch zur Jagd komplimentiert – sie ist halt ein rechter Kapricenschädel. Wo ich nun schon einmal hier bin, ästimier ich die ganze Sache aber doch und denk an die Fasanen und Bären und Luchsen, aber auch an den Tokaier, den man hierorts zum Souper zu servieren pflegt.
2. Mai 1751
Die Bären und Luchse lassen sich gut an, nicht so die Nachrichten aus der Hauptstadt. Bei der Abschiedsaudienz für den venezianischen Envoyé ist zwischen dem Grafen Bathyany und dem Fürsten Trautsohn über die Frage meines Avancements parliert worden, aber der Trautsohn hat die Stirn gehabt, zu erklären, er könne Ihro Majestät nicht jetzo mit solchen Odiositäten belästigen. Zum anderen haben mir meine wällischen Zuträger berichtet, daß mein Eheweib sich die Zeit recht angenehm vertreiben tut und sich von ihrem Vetter Octavian Rofrano karessieren läßt. Ich kenn diesen jungen Grasaff recht wohl, mit seinen schönen Augen, hätte mir aber doch von der Feldmarschallin ein anderes Comportement erwartet, zumal ich in diesem Puncto schon einige Beschwernisse gehabt habe.
15. Mai 1751
Anhaltend übles Wetter – ich profitiere von diesem intervallo, um das Diarium fortzuführen. Am letzten Sonntag hatten wir eine fatigante Parforce-Jagd auf einen Hirschen, der aber trotz aller Vorsorg die Linien durchbrochen und sich durch den Fluß gerettet hat. Die Sachen in Wien gehen ihren Lauf, und es ist ein recht wienerisches Qui pro Quo entstanden, in das ich hinein geraten bin, wie der Pontius ins Credo. Ein anderer Vetter aus der Familienbagagi der Feldmarschallin, der Ochs von Lerchenau, ein gewaltiger Fresser und Saufer, dabei ein guter Kumpan und amouröser Jovis, will die Tochter eines Bagatelladligen, Faninal mit Namen, heiraten, die zwar ein recht fades Geschöpf sein soll, aber mit zwölf Häusern auf der Wieden aufwarten kann (die Gesundheit des Herrn Papa, heißt es, ist nicht die beste). Er hat nun bei der Feldmarschallin die devoteste Supplik gemacht um einen Bräutigamsaufführer, und ihr ist nur eingefallen der benamte Octavian, mit Spitznamen Quinquin. Beide dachten sich wohl ein vergnügliches Amusement zu machen, haben sich aber, kreuzsakerlot, dabei versehen, denn der Filou, der pudeljunge, hat zwar seinen Part sehr herzig exequieret, wie ich vernommen, sich aber an der Braut, Sophie geheißen, beträchtlich enflammiert und einen großen Pallawatsch inszeniert, dabei den dicken Ochs mit dem Degen gestreift, worauf der über sein hochadelig Blut ein mordsmäßig Geschrei angefangen. Wenig später soll es noch eine degoutante Aufführung in einem Vorstadtbeisl gegeben haben, wobei der Lerchenau als Debauchierer herausgekommen ist, meine Frau ihren Amanten verloren und der Rofrano die Gans Faninal beiseite genommen hat. Eine schöne histoire, parole d’honneur! So ist es nun Zeit, daß ich den Tokaier und die Bären lasse und mich in die Hauptstadt begebe, um mir die dortige menage von nahem zu besehen.
21. Mai 1751
Gestern mit dem Schwarzenberg eine Partie Pharaon gespielt und die ganze Affaire besprochen mit allen Combinaisonen. Er hat mir geraten, die Winkelheirat des Rofrano mit der Faninalschen zu betreiben, weil so mein getreues Eheweib genug punieret sei. Sie scheint auch wirklich Reue und Bußfertigkeit zu zeigen, man kann aber kaum disputieren mit ihr über die Sach, sondern sie läßt sich noch häufiger als sonst zum Gottesdienst akkompagnieren oder zum alten Greifenklau, dem sie aus Erbauungsbücheln vorliest, dieweil er blind und halbtaub ist, sowie vom Schlagfluß gelähmt. Den verfluchten Filou Octavian habe ich nicht antreffen können – auch hat sich der Lerchenauer auf seine Güter zurückgezogen, angeblich wegen eines gesundheitlichen accidents, ich aber weiß es besser, denn es ist ihm übel mitgespielt worden. Im Trautmannsdorffschen Hause, das unter die reichsten in Wien zu zählen ist, kam gestern eine neue opera zur Repräsentation, welcher I.M. die Ehre ihrer Präsenz gab, „Arianna di Naxos“, wozu ein chur-bayerischer Virtuoso die musique componiert hat, wobei aber nur die Buffonerien für amüsant befunden und das Ganze keinen sonderlichen Applaus wecken wollte.
19. Juni 1751
Die ergötzlichsten surprisen erreichen mich heute durch meinen wällischen Agenten Valzacchi, als ich gerade bei einer Schale Milch-Caffe mit Kipfeln und Eierbrot sitze. Des Morgens war nämlich nach der hochadeligen Gepflogenheit der Bräutigamsaufführer für den Rofrano bei der kleinen Faninal, um ihr die silberne Rose zu überreichen. Da sich nun weder der Vetter Lamberg noch der Vetter Jörger bereit gefunden, für den compromittierten Rofrano diesen Dienst zu leisten, auf wen, glaubt man, ist der Filou verfallen? Auf den Lerchenau, der sich natürlich gewehret hat, aber wegen einer delicaten Affaire mit der Fürstin Brioche in Pressionen war und schließlich sich nicht mehr excludieren konnte. Die sonderbare Affection des Herrn Bräutigamsaufführer kann man sich imaginieren. Nach der getreulichen Schilderung des Valzacchi hatte er den unförmigen corpus in ein schmales weißes und grünes Habit gezwängt und druckte die silberne Rose in seinen dicken Händen, daß sie gänzlich krumm wurde. Dann macht er die spanische cour mit mille devotion und tausend Kratzfüßen, stolpert dabei und wird gerade von einem Kammerdiener Leupold, der ein Kind seiner Laune sein soll, aufgefangen, um dann in seines Herrn Vetters Namen, dessen zu Rofrano, die Rose seiner Liebe zu überreichen, wobei er sich verspricht und statt ‚seiner‘ ‚meiner‘ sagt. Der Vetter Faninal, dem die Lerchenauischen Güter und dessen Name konvenabler waren als die schönen Augen des Monsieur Quinquin, ist dem Schlagfluß nahe. Die Braut wird von einer trockenen Hitze angeflogen, und der Medicus wird geholt, welcher gleichzeitig mit dem Bräutigam eintrifft. Dieser läßt die gewohnte conduite vermissen, macht ein groß Geschrei und Aufsehen, von welchem das Odium bereits bis an den Hof gedrungen sein soll. Quelle blâme! Habe mich nicht enthalten können und es der Feldmarschallin weitergetragen, die sich gerade für einen Ball im kleinen Redoutensaal präparierte. Leichenblass ist sie geworden und ist statt zum Ball zum Onkel Greifenklau gefahren.
17. November 1753
Die Hoffnung, daß die Feldmarschallin nach der damaligen Geschichte mit dem Rofrano künftighin die dignité wahren würde, hat leider getrogen. Von einigen Anzeichen aufmerksam gemacht, habe ich sie en pleine action betroffen, und zwar mit dem jungen Sternberg, als ich unvermutet von einer Jagdreise zurückkehrte und die beiden nicht mehr echappieren konnten, wenn auch der kleine Mohr mir noch die Tür zum Schlafgemach versperrte. Den sakramentsverfluchten Buben Sternberg, der noch nicht mal schön ist, wie es der Octavian, eh bien, nun einmal war, nur halt jung, habe ich durch meine kräftigsten Burschen debarassieren lassen. Meinem Eheweib, das sich resolvieren wollte, habe ich den Rücken gekehrt und werde sie jetzt zu meiner Tant in die Windische Mark bringen, um jeden éclat zu ecartieren. Ein wenig Consolation gewähren mir jetzo die Geschichteln, die ich vom jungen Ehepaar Rofrano höre – der Valzacchi muß Genaueres auskundschaften!
27. November 1753
Gestern wurde der Kaiserin von der Gräfin Haugwitz die Gräfin Sedlitzki aufgeführet, welche dieser Tage gekommen, um ihren Sohn ins Theresianum zu geben. Die Kaiserin trug anfangs Bedenken, diese Dame an den Hof kommen zu lassen, weil sie bekanntermaßen viele Jahre Maitresse des Cardinale Mezzofanti war, nachdem aber von Seiten der Familie kein obstacle gemacht wurde, so wurde Ihro Majestät angeraten, über das Bedenken hinauszugehen, weil es wider die Wohlanständigkeit geschienen, sich zum Richter über die conduite der Dame aufzuwerfen. Diese unverzeihliche solution, die der Cristiani betrieben hat, wird der Unzucht Tür und Tor auch im kaiserlichen Hofstaat öffnen. Ich mußte an diesen scandal denken, als ich des Abends bei den Althams das Paar Rofrano traf. Er ist, parbleu, rechtschaffen dick geworden und bequem für seine jungen Jahre, sie dagegen hundsmager, spitz und gelb das Gesichtl, weiß nicht, was er an der findet, war die Feldmarschallin doch etwas anderes, nur viel zu schad für den Affen. Als er gerade Liqueur schlürfte, habe ich sie heimlich ins Gespräch gezogen und ihre Contenance bewundert, da sie doch wußte, wen sie vor sich hat. Hat dann bald recht lieblose aperçus gemacht über ihren Gemahl, von wegen seiner Faulheit, Dummheit und Gefräßigkeit. Eines der Wiedenhäuser soll schon für seine Spielschulden haben gradstehen müssen. Ob sie mein vergnügliches Schmunzeln ästimiert hat? Eh bien, ich weiß es nicht.
9. Dezember 1753
Habe gestern die honneur gehabt, von I.M. en compagnie bereits um acht Uhr bestellet zu werden, um uns ihro Collection von Dukaten zu zeigen, womit wir über drei Stunden zugebracht, indem davon bereits über 3000 Stück vorhanden, welche von den raresten Sorten sind und alle nur erfindlichen Gepräge von geistlichen und weltlichen Fürsten Europas haben. Die Feldmarschallin schreibt aus der windischen Mark flehentliche Briefe, wie ennuyant das Leben dort sei, was ihr aber gut bekommt, weil nur die griesgrämige Tante dort ist und keine jungen Schleckaffen. Mir ist zugetragen worden, daß die Sophie Rofrano ihren Gemahl mit dem jungen Palffy betrüget, was mir eine ganz eigentümliche Satisfaktion verschafft. Alle sprechen darüber, nur der Betroffene scheint ohne Conaissance zu sein.
24. Jänner 1754
Gestern abend gab der neapolitanische Botschafter wegen des Geburtstagsfestes der dortigen Königin in seinem Quartier im Lobkowitzschen Garten ein recht galantes festin, welches in einem Ball und einem Souper bestand und wozu nur der hohe Adel en masque mittels eigens distribuierter Billets admittieret wurde. Dort erzählte mir der Kinski die folgende actualité: Der Rofrano ist dem Amanten seiner Frau dahintergekommen und hat mit demselben zu Fuß Kugeln gewechselt, dabei das Unglück gehabt (nachdem er beim ersten Mal fehl geschossen), in den unteren Leib gefährlich verwundet zu werden. Er scheint aber wieder aufzukommen, was ich ihm doch wünschen möchte, denn er ist zwar ein filou, hat aber ein solches destin nicht verdienet. Die Feldmarschallin ist in eine Ohnmacht gefallen, als ich ihr die nouveauté vermeldete, durch Duftwässer aber wieder ins Leben zurückgerufen worden.
12. April 1754
I.M. zog mich gestern gnädigst ins Gespräch über die Rofrano-Affaire, die nun zu einem Ende gekommen ist, dergestalt, daß der Palffy auf einen militärischen Posten in die Walachei gesetzt worden und der Rofrano wieder gesundet, wenn auch nicht in den alten Zustand versetzt worden ist. Das heutige Jagddivertissement mußte vor der Zeit beendet werden, weil Nachricht aus Wien kam, daß die Kaiserin die Vorboten der nahenden Niederkunft verspürte, die auch heute wirklich sehr glücklich, aber wiederum mit einer Tochter, erfolgte. Gleichwohl wurde ein Jubelgeschrei erweckt, als ob ein Erzherzog geboren worden, und das Gerücht ging von Schönbrunn über die ganze Stadt. Morgen wird vom Nuntius die Taufzeremonie gehalten.
2. Juli 1754
Als ein Zeichen des Höchsten muß ich es ansehen, daß mein Eheweib Marie Theres, von wegen ihrer früheren Schlechtigkeit gegen mich, diese Woche von den Blattern befallen wurde. Der Ausschlag war ungemein heftig und hat sich bis in die Spitzen der Finger und ins Gesicht gezeigt, sodaß man an ihrem Aufkommen verzweifeln mußte, allein der barmherzige Gott hat sie dennoch dem Mann und der Familie wiedergeschenkt, damit sie künftighin zu seiner Ehre, zum besten ihrer dermaligen und künftigen Kinder als eine fromme und gottesfürchtige Mutter und als ein getreues Eheweib leben möge. Die Amme hat mir insgeheim berichtet, daß sie vor dieser furchtbaren Krankheit meiner Frau an dem bekannten Gnadenbild des heiligen Procopius vorbeigegangen, welches von einer sehr alten Malerei ist und den Heiligen mit geschlossenen Augen darstellet. Nun soll er seine Augen, nach der Meinung des Volkes, schon verschiedene Male, wenn Ungemach von Krieg, Pest bevorstand, flehentlich zum Himmel gewandt haben – so auch diesmal, wie mir die Amme aufs Stärkste versicherte – welch Zeichen der göttlichen Vorsehung!
30. Dezember 1755
Nachdem nun die Feldmarschallin nach ihrer damaligen glücklichen Errettung von Not und Krankheit sich ganz der Religion und Mildtätigkeit (gerade jetzt ist sie wieder auf ein Armen-Spital unterwegs) hingegeben hat, der Rofrano ganz desperat ist, weil sein Eheweib ein wahrer Höllteufel geworden ist, die ihre Liebschaften auch bei den Bediensteten sucht, weil ihr Mann ihr nicht mehr genügen könne, wie sie kaum verhohlen verkündet, erreicht mich nun eine verspätete Post von den Lerchenauischen Gütern, deren Herrn man seit drei Jahren nicht mehr in der Hauptstadt bemerkt hatte. Mitten in der Ernte, wo immer ein Zuzug von jungen böhmischen Mägden war, ist er in einem Heuschober von einem apoplectischen Zustand betroffen worden, als er gerade (heilige Mutter von Maria Taferl!) eine Dirne von hinten beschlichen. Hat ja dans ce genre nie Spanponadeln gemacht und war recht imprudent, der Teufelskerl, hätt aber doch besser seine Gesundheit bedenken sollen. Wo ist nun der Dichter für diese tragische Comoedie, die vor vier Jahren begonnen im April, und wo der Compositeur, der sie in musique setzen könnte? Das würde mehr applauso geben als die langwierigen piècen des Sg. Metastasio und des Herrn Gluck! Als ein Zeichen des Himmels muß ich es nehmen, daß zu gleicher Zeit die Gelehrten der historia naturalis sehr besorgt sind wegen der vielen Erdbeben, Wassergüsse und himmlischen Phänomene, die sich in den letzten Wochen zugetragen und bemerkt wurden. Sonderlich wird das dreifache Erdbeben von Lissabon ein immerwährendes Andenken der göttlichen Strafruten sein gegen Unzucht und Völlerei unter den Menschen. Ich danke dem Höchsten, daß ich nicht so bin wie jene. In saeculasaeculorum – Amen!
[Zitiert nach dem Erstdruck in: Opern und Opernfiguren. Festschrift für Joachim Herz. Anif / Salzburg: Verlag Ursula Müller-Speiser, 1989, S. 379 – 385.]
|